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Ein Straßenname ist ein Erinnerungsraum.

Rede in der Bezirksratsversammlung Hannover/Mitte

am 14.12.2015 von  Juergen Junghänel

 

Sehr geeehrter Herr Bezirksbürgermeister, meine Damen und Herren,

mein Antrag ist ein Beitrag zur Diskussion um die Straßenumbenennungen, dazu hole ich etwas weiter aus.

Im Jahr 2009 hat der Rat bekanntermaßen seine Richtlinien zur Umbenennung um die Formulierung „aktive Beteiligung an einem Unrechtssystem“ erweitert.

Damals hat die FDP als zusätzliche Bedingung in den Beschluss hineinschreiben wollen, dass die Umbenennung wegen der Besorgnis einer Rufschädigung der LHH nötig sein muss. Eine kluge und wie wir sehen werden voraussehende Ansicht.

Denn nun hat uns der Beirat „Namensgebende Persönlichkeiten“ den Bezirksräten nur aus der Zeit von 1933 bis 1945 erst einmal noch 9 Umbenennungsvorschläge, sagen wir es salopp, eingebrockt. Bis zu 34 werden folgen.

Dabei haben wir noch Glück gehabt, denn wenn man die Kurzbiographien der beizubehaltenden Namen durchgeht sind einige dabei, bei denen die Entscheidung hätte auch anders ausfallen können.

Theodor Heuss gehört auch nicht dazu. In seiner Kurzbiographie hat der Beirat klug verschwiegen, dass er am 30.1.33 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat.

Gott sei Dank müssen sich die Bezirksräte nicht an die Emfehlungen des Beirates halten. Sie müssen sich noch nicht einmal an die Grundsätze der Drucksachen des Rates zu diesem Thema halten, denn mit § 93 der NkomVG ist die Zuständigkeit für die Straßennamen an die Bezirksräte übergegangen und wir sind an keine Weisungen des Rates gebunden, so sehe ich das.

Meine Damen und Herren

Die Bezirksräte müssen und dürfen sich also ihre eigenen Gedanken um Kriterien für eine Umbenennung machen. Sie sollten sich dabei auch aus der Umklammerung der Herangehensweise des Beirates lösen. Für diesen Beirat hat ein Straßenname nahezu ausschließlich die Bedeutung der Ehrung des Namensgebers.

Aber ein Straßenname ist mehr. Ein Straßenname ist außer seiner postalischen Funktion ein Erinnerungsraum.

Ich entnehme diesen Begriff der Diskussion der Bürgerschaft Hamburg zur Frage der Entziehung der Ehrenbürgerschaft Hindenburgs.

Wenn man einen Straßennamen als Erinnerungraum begreift, so versammeln sich dort nicht nur der Namensgeber, sondern eben auch:

  • die Erinnerung an die Zeit, die diese Benennung für richtig gehalten hat,
  • aber auch die Erinnerung der Leute, die dort gewohnt haben und wohnen
  • sowie auch nicht zuletzt, sondern genauso wichtig, die derzeitige geschichtliche Einordnung des Namensgebers.

Erinnerung an die Zeit der Benennung ist wichtig. Heute abend wird im Bezirksrat Nord der Franziusweg besprochen. Ja, man sollte sich wirklich fragen und an die Antwort erinnern, wie zum Teufel man in den Adenauerjahren solche Menschen mit einer Straße ehren konnte. Alles, was man heute über Franzius weiß, konnte man damals auch wissen. Dieser Zeit der allgemeinen Verdrängung wird viel zu wenig gedacht. Meine Partei hat da die Gnade der späten Geburt, einige andere Parteien sollten nachdenken.

Anwohner wehren sich gegen Umbenennungen. Das tun sie nur zum Teil wegen Mühsal von neuem Briefpapier oder einer Ausweisänderung. Nein, in Wirklichkeit deshalb, weil man Ihnen Heimat wegnimmt. Sie haben sich an den Namen, den sie sich nicht selbst ausgesucht haben, gewöhnt. Deshalb sicher wollte Herr Engelke 2009 die Umbenennungen auf das Nötigste beschränken.

Wenn wir also Straßennamen als Erinnerungsraum begreifen, wird man in der überwiegenden Zahl der Fälle mit einer Tafel auskommen, die die augenblickliche Sicht auf die Umstände der Benennung und der Namengeber ausdrückt. Das ist wirklich Erinnerungskultur.

Dieser mein Antrag auf Umbenennung des Ernst-August-Platzes ist mein Beitrag zur Diskussion um die Umbenennung von Straßennamen und hatte 2 Funktionen.

Er sollte einerseits tatsächlich über Ernst-August aufklären. Bei der hörenswerten Diskussion über die Umbenennungen, die die HAZ im historischen Museum veranstaltete, hat Herr Prof. Hauptmeyer meine negative Sicht auf die Persönlichkeit Ernst-Augusts bestätigt. Ja, man könnte umbenennen, er würde es aber bei Ernst-August und auch anderen nicht tun. Und ich bin von vielen Menschen angesprochen worden, die etwa sagten: das mit Ernst-August haben wir nicht gewußt.

Andererseits sollte er vor Augen führen, wo wir landen, wenn wir der einseitigen Interpretation von Namenschildern als Ehrung der Namensgeber folgen.

In diesem Sinne hat mein Antrag seine ihm zugedachte Funktion voll erfüllt und ich kann ihn beruhigt zurückziehen.

Vielen Dank.

Juergen Junghänel

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