Hochschulprogramm der PIRATEN Niedersachsen

Wissenschaft als Grundlage der gesellschaftlichen Entwicklung

Evidenzbasierte Wissenschaft ist ein wesentlicher Teil der Kultur und dient nicht nur als Grundpfeiler für technologische Entwicklung, sondern auch für die intellektuelle Entfaltung. Dazu leisten sowohl die erzielten Ergebnisse und deren Anwendungen als auch der Prozess des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns ihren Beitrag. Die Wertschätzung und Förderung der evidenzbasierten Wissenschaft sind daher eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht durch kurzsichtige wirtschaftliche Interessen gesteuert werden darf. Insbesondere die Grundlagenforschung, die keinen direkten praktischen oder finanziellen  Nutzen anstrebt, muss gefördert werden, sofern sie grundsätzlich  humanitären Zwecken dient.

Hürden zum Hochschul- und Universitätszugang abbauen

Hürden – insbesondere finanzieller Natur – wollen wir aufheben. Wir lehnen somit Studiengebühren ab, insbesondere versteckte Studiengebühren in den  Semesterbeiträgen und so genannte Langzeitstudentenstudiengebühren. Der
Numerus Clausus soll generell abgeschafft werden, die allgemeine Hochschulreife beinhaltet bereits die Gestattung zu jeglicher Art von Studium. Jeder Interessent muss die Möglichkeit haben, einen Studienabschluss entsprechend seiner Wünsche und Neigungen anzustreben. Darüber hinaus wollen wir für die Schaffung spezieller Kindereinrichtungen für Studierende und Lehrende mit Kindern sorgen, um das Besuchen bzw. Abhalten von Lehrveranstaltungen auch mittels digitalem Zugang zu erleichtern. Deren Schaffung ist landesseitig zu unterstützen.

Denn Hochschulen und Universitäten müssen in Forschung, Lehre und Verwaltung als auch Studium familienfreundlicher gestaltet werden. Auch darüber hinaus gibt es viele Gründe, warum Studierende Präsenzveranstaltungen wie Vorlesungen nicht besuchen können. Seien es überfüllte Hörsäle, die Pflege von Angehörigen, Nebenjobs, um sich das Studium zu finanzieren. Auch das Nacharbeiten von Vorlesungen mithilfe von Skripten oder Mitschriften von Kommilitonen ist nicht immer möglich bzw. umständlich und zeitraubend.

Recht auf Zugang zum Masterstudium erleichtern

Für den Masterstudiengang tritt man gegen Bewerbungen aus ganz Europa weitgehend anhand des Bachelorabschlusses an, sofern dieser als Zulassungskriterium von der jeweiligen Universität definiert wurde. Dies lässt außer Acht, dass durch unterschiedliche finanzielle Voraussetzungen zur Erreichung dieses Abschlusses auch unterschiedliche Abschlussqualitäten eine Folge sind. Auch der Grad der Schwierigkeit, ein entsprechendes Ergebnis zu erzielen, kann aller Vergleichbarkeit zum trotz differieren. Daher setzen wir uns für den automatischen Zugang zum Masterstudium nach Abschluss eines zugehörigen Bachelorstudiums ein. Bei Mangel an Studienplätzen ist als Auswahlkriterium die Wartezeit des Bewerbers der Abschlussnote vorzuziehen. Der Zugang zu Bildung muss möglichst vorgaben- undndiskriminierungsfrei sein. Ausnahmen können nur dann gemacht werden, wenn aus nicht durch die Hochschulen verantwortbaren Gründen eine Durchführung des Masterstudiengang nicht für alle dafür Qualifizierten möglich ist.

Demokratische und selbstverwaltete Hochschulen und Universitäten

Das demokratische Prinzip muss auch an Hochschulen gelten. Daher sollen an Hochschulen und Universitäten Beschäftigte und Studierende in den Gremien entsprechend stärker ihrem tatsächlichen Anteil an Personen vertreten sein. Weiterhin setzen wir uns dafür ein, dass zumindest folgende innerhalb der „Kampagne zur Novelle des Niedersächsischen Hochschulgesetzes“ aufgestellten Forderungen umgesetzt werden:

– Allgemein mindestens paritätische Besetzung aller Gremien und Organe
– Jede Statusgruppe muss in jeder Kommission gleichberechtigt sitzen
– Übertragung der Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse von Hochschulleitung und Hochschulrat auf Senat und Fakultätsrate
– Es muss die Möglichkeit vorgesehen sein, einen studentischen Vizepräsidenten aus der Studentenschaft zu bestimmen
– Hochschul- und Stiftungsräte dürfen keine Beschlusskompetenz haben, solange sie nicht demokratisch legitimiert sind
– Es muss grundsätzlich eine (Hochschul-)Öffentlichkeit von Sitzungen und geeignete Dokumentation dieser gewährleistet sein
– Bei einem Weiterbestehen der Hochschulräte müssen diese derart gestaltet sein, dass sie transparent ernannt werden und eine angemessene Abbildung gesellschaftlicher Realitäten realisieren
– Es muss eine Lösung entwickelt werden, wie Promovierende einheitlich vertreten werden können
– Das ehrenamtliche Engagement in demokratischen Strukturen ist mit einer geeigneten Geschäftsstelle zu unterstützen
– Es darf keine neuen Stiftungshochschulen geben, bisher bestehende müssen evaluiert werden
– Das Letztentscheidungsrecht in der Studienqualitätskommissionen muss bei den Studierenden liegen
– Private Hochschulen müssen gleiche demokratische Strukturen implementieren wie die staatlichen Hochschulen
– Drittmittel müssen fortan auch dem Senat angezeigt werden
– Generelle Abschaffung aller Studiengebühren einschließlich des Verwaltungskostenbeitrags
– Gesetzliche Zivil- und Transparenzklausel

Bekenntnis zum „Templiner Manifest“

Mit dem „Templiner Manifest“ hat die GEW eine Kampagne für den „Traumjob Wissenschaft“ gestartet. Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für die Realisierung der darin genannten Ziele zur Arbeits- und Forschungsgestaltung an Hochschulen ein. Im Einzelnen handelt es sich inhaltlich um die Punkte:

– Promotionsphase besser absichern und strukturieren
– Promovierten Wissenschaftlern verlässliche Perspektiven geben
– Daueraufgaben mit Dauerstellen erfüllen
– Prekäre durch reguläre Beschäftigung ersetzen
– Im Gleichgewicht lehren, forschen und leben
– Ausgeglichenes Geschlechterverhältnis durchsetzen
– Gleichberechtigt mitbestimmen
– Mobilität fördern, nicht bestrafen
– Hochschule und Forschung bedarfs- und nachfragegerecht ausbauen
– Alle Beschäftigungsverhältnisse tarifvertraglich aushandeln

Darüber hinaus müssen Mitarbeiter, die Daueraufgaben übernehmen, auch dauerhaft angestellt werden. Es müssen mehr unbefristete Stellen für Wissenschaftler geschaffen werden, um mehr finanzielle Sicherheit zu bieten, und einen Verlust der klügsten Köpfe für die öffentliche Forschung zu verhindern.

Grundfinanzierung und akademischen Mittelbau stärken

Damit die niedersächsischen Hochschulen ihren Aufgaben weiterhin umfassend und unabhängiger von Drittmitteln nachkommen können, muss die Grundfinanzierung deutlich gesteigert werden. Die Finanzierung von Forschungsprojekten und -einrichtungen ist transparent zu dokumentieren, um potentielle Interessenskonflikte und Einflussnahmen erkennen zu können. Insbesondere bei der Verwendung wissenschaftlicher Studien als Grundlage für politische Entscheidungen muss rigoros auf die Einhaltung entsprechender Transparenzanforderungen geachtet werden. Einrichtungen und Forschungsbereiche, welche den Kriterien der Nachvollziehbarkeit und wissenschaftlicher Überprüfbarkeit nicht genügen, sollen vom Staat weder direkt bezuschusst noch indirekt (beispielsweise durch Zulassung und Anerkennung entsprechender Bildungswege) gefördert werden.

Transparente Hochschulen und Forschungseinrichtungen

Forschung soll allen Menschen zugute kommen. Niedersächsische Hochschulen und durch das Land Niedersachsen mehrheitlich mitfinanzierte Forschungseinrichtungen und -vorhaben sollen ihre Ergebnisse und Rohdaten allen Menschen zur Verfügung stellen. Sind an der Finanzierung sowohl öffentliche als auch private Geldgeber beteiligt, ist eine angemessene Berücksichtigung öffentlicher Interessen sicher zu stellen. Alle Gremien einer Hochschule sollen öffentlich tagen, soweit nicht datenschutzrechtlich relevante Inhalte besprochen werden.

Offener Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen

Wissenschaftliche Entwicklung kann nur durch den stetigen Austausch von Erkenntnissen gesichert und zum Wohle der Menschen verwendet werden. Rechtliche Schranken, die der Verhinderung von freiem Wissensaustausch insbesondere zum Zwecke der Überprüfung, der weitergehenden Forschung und der Bildung dienen, sind zu vermeiden. Aus öffentlicher Hand (teil-)finanzierte wissenschaftliche Informationen und Forschungsergebnisse sollen auch der Öffentlichkeit zugute kommen und dabei für alle Bürger einfach und frei zugänglich sein.

Ethische Neutralität und Ideologiefreiheit der Wissenschaft

Wissenschaftliche Erkenntnisse an sich unterliegen keiner ethischen Bewertung. Einschränkungen oder Verbote aus politischen, religiösen oder sonstigen ideologischen Gründen sind deshalb abzulehnen. Konkrete Verfahrensweisen sowie praktische Anwendungen neu gewonnener Erkenntnisse müssen hingegen auf deren Vereinbarkeit mit ethischen und gesellschaftlichen Normen überprüft und bei Notwendigkeit eingeschränkt werden. Eine solche Überprüfung muss einerseits die möglichen Gefahren und Risiken betrachten. Andererseits ist der Nutzen sowohl für die Wissenschaft als auch für die Gesellschaft als Ganzes in Betracht zu ziehen. Pseudowissenschaftliche Forschung und Lehre halten wir nicht für unterstützungswürdig.

Lehrstühle für quantensichere Verschlüsselung

Die Entwicklung von Verschlüsselungsverfahren, die resistent gegen die Entschlüsselung durch Quantencomputer sind, ist für unsere Gesellschaft und Wirtschaft überlebenswichtig. Da die Entwicklung auf Dauer und unabhängig angelegt sein muss, ist diese am besten in Form eines Lehrstuhls an Universitäten aufgehoben. Die Sicherstellung der Daten- und Informationssicherheit ist eine Zukunftsaufgabe, die nicht aufgeschoben werden darf. Wir fordern daher Lehrstühle für quantensichere Verschlüsselung an den Universitäten Niedersachsens.

Lehrstühle für Gendermedizin in Niedersachsen

Jedes Jahr sterben in Deutschland Frauen an nicht diagnostizierten Herzinfarkten oder falschen Diagnosen anderer Krankheiten. Ursächlich ist die Fehlinterpretation der Symptome, die bei Frauen andere als bei Männern sind.

Die gleichen Medikamente werden Frauen wie Männern verschrieben obwohl Medikamente bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken können. Krankheiten wie Endometriose werden als “Frauenleiden” verniedlicht und die Forschung nach Medikamenten liegt brach. Wir setzen uns daher für die Schaffung von Lehrstühlen für Frauenspezifische Gesundheitsforschung (Gendermedizin oder auch Geschlechtsspezifische Medizin genannt) ein. Die Benachteiligung von Frauen in der Medizin und Pharmazie muss beendet werden.

Lehrstühle für Inklusive Schulentwicklung

Wir setzen uns für den Erhalt, ersatzweise die Neuschaffung, wenigstens eines Lehrstuhls für „Inklusive Schulentwicklung“ ein. Bislang gab es diesen an der Sonderpädagogischen Hochschule Hannover als einzigen in Niedersachsen. Er fiel Sparmaßnahmen zum Opfer, was gerade im Hinblick auf die Ausbildung von Lehrkräften im Umgang mit der Beschulung inklusiver Lernender fatal war. Hier ist das Land Niedersachsen gefordert, die Auswirkungen seiner unverantwortlichen Sparpolitik im Hochschulbereich rückgängig zu machen.

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